Stab (Ornamentik)

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Verzierte Stabprofile (Aus dem Ornamentiklehrbuch von Franz Sales Meyer, 1886[1]; von ihm Heftschnüre genannt)

Ein Stab ist in der Architektur und Ornamentik ein kleines, bandartiges Zierglied mit rundem Querschnitt, das zwei Bauteile zu trennen oder miteinander zu verbinden hat.[2]

Vorkommen und Formen

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Der Stab ist ein schmales Dekorelement mit eng aneinandergereihten (seriellen) und meist geometrischen Einzelformen, das innerhalb eines größeren dekorativen Zusammenhangs auftritt (z. B. an Fenster- und Türrahmungen, Archivolten, Bilderrahmen oder Schmuckstücken). Stäbe haben keine besonders betonten Anfangs- oder Endstücke; regelmäßig wiederkehrende Unterbrechungen bzw. Auflockerungen des jeweiligen Motivs durch Zwischenstücke sind jedoch möglich (vor allem bei Perlstäben). Stäbe dienen oft als Rahmungen.

Neben diesen verzierten Stäben gibt es auch einfache glatte Stäbe. Diese zeichnen sich durch eine glatte Oberfläche aus und unterscheiden sich in ihrem Profil.

Andere gereihte Ornamentformen sind meist deutlich breiter und eignen sich deshalb nur sehr eingeschränkt als Rahmungen oder Einfassungen, z. B. Bogenfries, Zahnschnitt, Mäander, Wellenband, Girlande, Flechtband. Sie werden üblicherweise nicht als „Stab“, sondern als „Band“ oder „Fries“ bezeichnet.

Glatte Stäbe als Gitterwerk sowie naturalistische Aststäbe an einem spätgotischen Portal

Abhängig vom Motiv unterscheidet man unter anderem

Für die Formen Rundstab, Perlstab und Eierstab gibt es auch die allgemeinere Bezeichnung Astragal.[3]

Grundformen glatter Stäbe

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Grundformen glatter Stäbe, aus Regeln der fünf Ordnungen der Architektur von Giacomo Barozzi da Vignola

Es lassen sich folgende Grundformen unterscheiden (siehe Bild nebenan):

  1. Leiste (it. listello)
  2. Höhlung (it. cavetto)
  3. Wölbung (it. tondino)
  4. Ei (lat. ovulum, it. ovolo)
  5. Wulst (lat. torus, it. toro)
  6. Kehle (lat. gula, it. gola)
  7. umgekehrte Kehle (lat. gula reversa)
  8. Eulenschnabel (it. becco di civetta)
  9. Schottisch (it. scozia)

Stäbe können sowohl horizontal als auch vertikal oder in Bogenformen angeordnet sein, doch wiederholen sie sich nicht in gleicher Gestalt nebeneinander oder in der Fläche (Ausnahme: Gitterstäbe). In der Goldschmiede- und Glaskunst sowie in der Elfenbeinschnitzerei und Kunsttischlerei sind Stabmotive als Rahmungen häufig anzutreffen; vereinzelt finden sie sich auch in Werken mittelalterlicher Buchmalerei. In der Architektur treten Stäbe meist auf an Portalgewänden sowie in den Rahmungen von Fenstern etc.; auch an geschnitzten Holzrahmen (z. B. Bilderrahmen) oder an Stuckaturen treten sie des Öfteren in Erscheinung.

Stabformen sind vergleichsweise einfach herzustellen; sie waren in der Regel Lehrlingsarbeiten. Um ungewollte Abbrüche, Überschneidungen und andere Unstimmigkeiten zu vermeiden, muss allerdings vorher genau gemessen werden – das Motiv wird anschließend auf das zu bearbeitende Material durch Vorzeichnung oder Ritzung aufgetragen. Waren Stäbe früherer Zeiten stets Einzelanfertigungen, so sind heute industriell vorgefertigte Stäbe aus Holz, Gips, Metall oder Kunststoff käuflich zu erwerben.

Perlstab im Portalrahmen des Tempels von Amrol, Indien
Mandorla in Form zweier gekrümmter Lochstäbe, die von kleineren Perlstäben eingefasst sind – Tympanon der Kirche Saint-Pierre de Carennac
Zwillingsfenster (Biforium) mit Rundstab, Hohlkehle und Diamantstab an der Burg Hornberg (Neckarzimmern)

Reihungen ein und desselben Motivs sind spätestens seit der Antike in nahezu allen Stilperioden der europäischen Kunst anzutreffen. In der älteren außereuropäischen Ornamentkunst treten sie dagegen – abgesehen von einigen Regionen Indiens – eher selten in Erscheinung.

Stabformen bildeten in früheren Zeiten eine hoheitliche – an Goldschmiedearbeiten wie Edelsteinketten oder Perlenschnüre erinnernde – Einfassung eines Bildmotivs, eines Portaleingangs oder einer (Fenster-)Rahmung. Die eher seltenen Sternstäbe nehmen eindeutigen Bezug auf die himmlische Sphäre.

Seit dem Barock, spätestens jedoch seit dem Klassizismus und Historismus haben Stabformen ihre Symbolik weitgehend eingebüßt und sind im Allgemeinen nur noch als reine Dekorelemente aufzufassen.

  • Hans Koepf, Günther Binding: Bildwörterbuch der Architektur. Mit englischem, französischem, italienischem und spanischem Fachglossar (= Kröners Taschenausgabe. Bd. 194). 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-19404-X (Digitalisat auf moodle.unifr.ch, abgerufen am 24. März 2024), S. 435 (2): Stab.
  • Otto Lueger: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 8. Stuttgart / Leipzig 1910, S. 235: Stab. (Digitalisat, Abschrift)
  • Franz Sales Meyer: Ornamentale Formenlehre. Eine systematische Zusammenstellung des Wichtigsten aus dem Gebiete der Ornamentik zum Gebrauch für Schulen, Musterzeichner, Architekten und Gewerbetreibende. Grossherzoglich Badische Kunstgewerbeschule in Karlsruhe. Seemann, Leipzig 1883. (Auflage von 1886: Digitalisat auf mediatum.ub.tum.de, abgerufen am 24. März 2024), Blatt 98: Heftschnüre, Astragal; Blatt 99: Wulste, Tore.
  • Oscar Mothes (Hrsg.): Illustrirtes Bau-Lexikon, Band 4: Q bis Z. Leipzig 1884, S. 244. (Digitalisat)

Einzelnachweise

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  1. Franz Sales Meyer: Ornamentale Formenlehre. Eine systematische Zusammenstellung des Wichtigsten aus dem Gebiete der Ornamentik zum Gebrauch für Schulen, Musterzeichner, Architekten und Gewerbetreibende. Grossherzoglich Badische Kunstgewerbeschule in Karlsruhe. Seemann, Leipzig 1883. (Auflage von 1886: Digitalisat auf mediatum.ub.tum.de, abgerufen am 24. März 2024), Blatt 98: Heftschnüre, Astragal.
  2. Otto Lueger: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 8. Stuttgart / Leipzig 1910, S. 235: Stab. (Digitalisat, Abschrift)
  3. Astragal im Kunstlexikon von P. W. Hartmann.