Bell V-280

Kipprotor-Wandelflugzeug

Die Bell V-280 Valor (dt.: Mut; Tapferkeit) ist ein Kipprotor-Wandelflugzeug des amerikanischen Hubschrauberherstellers Bell Helicopter und des amerikanischen Rüstungs- und Technologiekonzerns Lockheed Martin Corporation, das sich 2022 im FLRAA-Programm zur Entwicklung eines schnellen Transporthubschraubers der US-Army gegen den konkurrierenden Vorschlag der Sikorsky/Boeing SB-1 Defiant durchgesetzt hat. Das „V“ in der Bezeichnung steht für „Vertical“ und die Zahl „280“ für die angestrebte Marschgeschwindigkeit von 280 Knoten.

Bell V-280

Senkrechtstart auf der Alliance Air Show 2019, Fort Worth (Texas)
Typ VTOL-Transporter
Entwurfsland

Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten

Hersteller * Bell Helicopter
Erstflug 18. Dezember 2017

Erstflug des Demonstrators war im Dezember 2017. Mit Stand April 2024 sind erste Truppentests für 2027 bis 2028 vorgesehen für eine mögliche Inbetriebnahme ab 2031.[1]

Entwicklung

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Zur Vorgeschichte gehört, dass das US-Verteidigungsministerium in den 2000er Jahren erkannte, dass die Hubschrauberflotte veraltet ist. Das zuletzt noch entwickelte Modell, die Bell-Boeing V-22 Osprey, hatte zwar hervorragende Einsatzmöglichkeiten gezeigt, war aber von hohen Wartungskosten geplagt, und wies dennoch weiter zahlreiche Unfälle auf, die teils monatelange Flugverbote (Grounding) nach sich zogen. Es war nicht klar, ob man ein Kipprotor-Wandelflugzeug wie die Osprey weiterentwickeln sollte. In einem technologieoffenen Ansatz sammelte das Verteidigungsministerium die verschiedenen Anforderungen im Future-Vertical-Lift-Programm, das ab 2009 zu Vorschlägen aufrief.

2011 waren die Anforderungen an einen Hubschrauber mit den breitesten Einsatzmöglichkeiten soweit definiert, dass man Aufträge für einen Technologiedemonstrator ausschrieb, nun Joint Multi Role Technology Demonstration (JMR TD) genannt. Vier der eingereichten Vorschläge erhielten im Oktober 2013 dann Entwicklungsaufträge.

 
Ein V-280 Valor mit horizontaler Stellung der Rotoren.

Am 9. September 2013 gab Bell bekannt, die V-280 in Kooperation mit der Lockheed Martin Corporation herstellen zu wollen.[2] Lockheed wird Rechner-Elektronikeinheiten sowie Sensoren und Bewaffnung liefern. In den folgenden Monaten wurden noch weitere Partner bekannt gegeben, wie Moog Inc. für das Steuerungssystem, GE Aviation für die Triebwerke, GKN für das Heckteil und Spirit AeroSystems für den aus Kompositwerkstoffen aufgebauten Rumpf.

Am 2. Oktober 2013 gab die United States Army bekannt, Bell ein Technology Investment Agreement für das JMR-Programm angeboten zu haben.[3] Diese Vereinbarung erhielten auch die drei Konkurrenten des FVL-Programms. Es hat einen Umfang von 6,5 Mio. Dollar und betrifft Phase I des JMR-Programms, das die weitere Ausarbeitung der Technologie und des Interfaces beinhaltet.

Am 21. Oktober 2013 präsentierte Bell ein vollmaßstäbliches Mock-up der V-280 auf der Army Aviation Association of America (AAAA) Ausstellung in Fort Worth, Texas.[4]

Im August 2014 entschied man sich im JMR-TD-Programm zur Weiterentwicklung der Valor und der konkurrierenden Defiant. Für diese wurden flugfähige Demonstratoren bestellt.

Im September 2015 übergab Sprit AeroSystems Inc., ein Subunternehmen von Bell Helicopter, nach 22 Monaten den ersten Rumpf der Bell V-280 in seinem Werk in Wichita, Kansas.[5] Zur Endmontage wird der aus Verbundmaterialien gefertigte Rumpf anschließend zu Bell nach Amarillo, Texas, überführt. Bodentests des montierten Prototyps begannen Anfang September 2017,[6] am 18. Dezember 2017 folgte der Erstflug.[7]

Der Erstflug des Prototyps war ursprünglich für September 2017[8] geplant und erfolgte dann im Dezember 2017.[9]

Am 11. Mai 2018 flog die Bell V-280 erstmals mit voll nach vorn geschwenkten Rotoren. Dabei wurde eine Geschwindigkeit von 350 km/h erreicht. Bis Ende 2018 wurden in fast 85 Stunden Flugzeit 460 km/h Höchstgeschwindigkeit, eine größte Flughöhe von 3500 Metern und eine Steigrate von 22,8 m/s erreicht.[10] Bis März 2019 wurden 300 kn (345 mph; 556 km/h) und 100 Flugstunden erreicht.[11]

Die Erfahrungen führten die US-Army darauf, das Programm als Future Long-Range Assault Aircraft (FLRAA) ab April 2019 weiterzuführen, in deren Verlauf ein Ersatz für die Transporthubschrauber Sikorsky UH-60 Black Hawk entwickelt werden sollte.[9] Auch die konkurrierende Defiant wurde weiterentwickelt, die im März 2019 ihren Erstflug absolviert hatte. Bis Dezember 2020 erreichte die Valor über 200 Flugstunden und eine neue Höchstgeschwindigkeit von nun 305 Knoten (560 km/h).[12]

Im Oktober 2021 entschieden Bell und Rolls-Royce, das im Prototypen verwendete T64-Triebwerk durch eine neue Variante des Rolls-Royce T406 zu ersetzen, das schon in der Osprey verwendet wurde. Statt AE 1107C heißt diese Variante AE 1107F mit einer Leistungserhöhung von 5000 auf 7000 hp. Durch die zwei Jahrzehnte an Einsatz in Kipprotor-Flugzeugen erwartet man deutlich weniger Risiken und geringere Wartungskosten.[13]

Im Dezember 2022 gab die US-Army bekannt, dass sich die Valor gegen die konkurrierende Defiant durchgesetzt hat. Die Indienststellung wurde bei der Auftragsvergabe für 2030 erwartet.[9]

Im Rahmen des FLRAA-Programms der US-Army soll die V-280 die Sikorsky UH-60 Black Hawk als Transporthubschrauber in den 2030er Jahren ersetzen.[14]

Konstruktion

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Die V-280 wird laut Bell voraussichtlich eine Reisegeschwindigkeit von 520 km/h (280 kn, 320 mph) erreichen. Die Höchstgeschwindigkeit wird bei 560 km/h (300 kn, 350 mph) und die Reichweite bei 3900 km (2100 Nautische Meilen, 2400 Meilen) liegen. Die effektive Gefechtsreichweite wird zwischen 930 und 1480 Kilometern und die Traglast bei zirka 4500 kg liegen. Die Besatzung wird vier Mann betragen, wobei zusätzlich elf voll ausgerüstete Soldaten transportiert werden können.

Ein großer Unterschied zur Bell-Boeing V-22 Osprey liegt darin, dass die beiden Triebwerke vom Typ Rolls-Royce AE 1107F fest waagerecht in die Flügel eingebaut werden, während die Rotoren kippfähig sind. Die Antriebswelle erstreckt sich über die komplette Spannweite und verbindet beide Rotoren. Sollte eines der Triebwerke ausfallen, kann das noch funktionierende Triebwerk beide Rotoren antreiben. Die V-280 wird über ein einziehbares Fahrwerk, ein dreifach redundantes Fly-by-wire-System und ein V-förmiges Heck verfügen. Der Flügel besteht aus einem einzigen kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffbauteil. Im gelandeten Zustand wird sich der Flügel der V-280 etwa 2,10 m über dem Boden befinden. Das ermöglicht den mitgeführten Soldaten nicht nur, aus den 180 cm breiten Türen zu beiden Seiten leicht auszusteigen, sondern wird Bordschützen auch ein breites Schussfeld bieten.

Die V-280 soll mit einem single-screen instrument versehen werden.[15] Bei Bekanntgabe im Mai 2015 war ein solcher Bildschirm im Mock-Up eingebaut. Der Bildschirm, der fast über die gesamte Breite des Fluggerätes reicht, wurde von Bell zusammen mit seinen Partnern Lockheed Martin und Inhance Digital in 18-monatiger Arbeit entwickelt.[15]

Technische Daten

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Kenngröße projektierte Werte[16][17]
(erflogene Werte[10])
Besatzung 4
Passagiere 12
Länge 50,5 ft (15,4 m)
Spannweite 81,79 ft (24,93 m)
Höhe 23 ft 0 in (7 m)
Nutzlast 10.000 lb (4500 kg) bei 150 knots (170 mph; 280 km/h)
Leermasse 33.069 lb (15.000 kg)
max. Startmasse 57.320 lb (26.000 kg)
Marschgeschwindigkeit 323 mph (520 km/h, 280 kn)
Höchstgeschwindigkeit 348 mph (560 km/h)
Dienstgipfelhöhe 4600 m
max. Schwebeflughöhe 1800 m außerhalb des Bodeneffekts
Steigrate (22,8 m/s)
max. Einsatzreichweite 1480 km
Überführungsreichweite 2400 mi (3900 km, 2100 nmi)
Triebwerke 2 × Rolls-Royce AE 1107F
Rotordurchmesser 35 ft 0 in (10,7 m)
Rotorflächenbelastung 16 lb/sq ft (78 kg/m²)
Bewaffnung

Siehe auch

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Commons: Bell V-280 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Jen Judson: US Army to field long-range combat aircraft to first unit in FY31. In: Defense News. 25. April 2024, abgerufen am 6. Oktober 2024 (englisch).
  2. Bell Helicopter and Lockheed Martin team on V-280 Valor. In: airframer.com. Abgerufen im Jahr 2014 (englisch).
  3. Army awards JMR-TD program technology investment agreement with Bell Helicopter for next-generation tiltrotor demonstrator. In: airframer.com. Abgerufen am 23. Januar 2023 (englisch).
  4. Jon Hemmerdinger: Bell unveils V-280 Valor mock-up. In: flightglobal.com. 21. Oktober 2013, abgerufen am 13. September 2017 (englisch).
  5. Rumpf der Bell V-280. In: Europäische Sicherheit & Technik. 1/2015, S. 77.
  6. Karl Schwarz: V-280 Valor: Versuchsflugzeug komplett. In: flugrevue.de. 7. September 2017, abgerufen am 23. Juli 2024.
  7. Karl Schwarz: Bell V-280 Valor startet zum Erstflug. In: flugrevue.de. 19. Dezember 2017, abgerufen am 23. Juli 2024.
  8. Bell preparing to affix V-280 wing as ‘Valor’ takes shape. In: Flightglobal.com. Abgerufen am 20. Januar 2016 (englisch).
  9. a b c Riesenauftrag der US Army: Bell V-28 Valor gewinnt FLRAA. In: msn.com. Abgerufen am 6. Dezember 2022.
  10. a b Karl Schwarz: Kipprotor-Versuchsmodell: Bell V-280 im Flugtest. In: flugrevue.de. 20. Dezember 2018, abgerufen am 23. Juli 2024.
  11. V-280 reaches 300kt. In: flightglobal.com. Abgerufen am 6. Juni 2020 (englisch).
  12. Sydney J. Freedberg: Defiant-X: Sikorsky, Boeing Unveil FLRAA Design. In: Breaking Defense. 25. Januar 2021;.
  13. Marcus Weisgerber: Bell Picks Rolls-Royce Engine for V-280 Valor in Army Black Hawk Replacement Contest. In: Defense One. 7. Oktober 2021, archiviert vom Original am 23. September 2023;.
  14. KS: Riesenauftrag der US Army: Bell V-280 Valor gewinnt FLRAA. 6. Dezember 2022, abgerufen am 6. Dezember 2022.
  15. a b Bell Unveils Single-screen V-280 Cockpit. AINonline, 21. Mai 2015, abgerufen am 13. September 2017 (englisch).
  16. Bell V-280 Valor. In: bellflight.com. Abgerufen am 23. Dezember 2018 (englisch).
  17. V-280 tiltrotor design. (PDF; 824 kB) Abgerufen am 23. Juli 2024 (englisch).