Thyroxin (3,3',5,5'-Tetraiod-L-thyronin, kurz T4), wie lateinisch Glandula thyr[e]oidea und Thyreoidea, „Schilddrüse“, von altgriechisch θυρεοειδής thyreoeidḗs ‚schildartig‘, ist ein Hormon, das in der Schilddrüse von Säugetieren gebildet wird.

Strukturformel
Allgemeines
Freiname Levothyroxin
Andere Namen
  • L-(−)-Thyroxin
  • (S)-Thyroxin
  • Tetraiodthyronin
  • 3,3',5,5'-Tetraiod-L-thyronin
  • 2-Amino-3-[4-(4-hydroxy-3,5-diiodphenoxy)-3,5-diiodphenyl]propansäure
Summenformel
  • C15H11I4NO4 (Levothyroxin)
  • C15H10I4NNaO4 (Levothyroxin-Natriumsalz)
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
PubChem 853
ChemSpider 830
Wikidata Q773449
Arzneistoffangaben
ATC-Code

H03AA01

Eigenschaften
Molare Masse 776,87 g·mol−1 (Thyroxin)
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

231–233 °C[1] (Levothyroxin)

Löslichkeit

wenig löslich in Wasser (0,105 µg·l−1 bei 25 °C)[2]

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[3]
keine GHS-Piktogramme

H- und P-Sätze H: keine H-Sätze
P: keine P-Sätze[3]
Toxikologische Daten
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Thyroxin ist eine nicht-proteinogene α-Aminosäure mit der Summenformel C15H11I4NO4. Thyroxin, entstehend durch Iodierung aus der Aminosäure Tyrosin, ist das Prohormon zu Triiodthyronin, kurz T3 (drei Iodatome im Molekül). Diese Schilddrüsenhormone sind essentiell für den Energiestoffwechsel sowie wichtige Partner für viele andere Hormone wie z. B. Insulin, Glukagon, Somatotropes Hormon und Adrenalin. Das übergeordnete Regelhormon ist das Thyreoidea-stimulierende Hormon (TSH).[5]

Thyroxin ist chiral. Der Naturstoff ist L-Thyroxin [Synonym: (S)-Thyroxin]. Wenn im folgenden Text und in der wissenschaftlichen Literatur „Thyroxin“ ohne weiteren Namenszusatz (Präfix) aufgeführt wird, ist stets L-Thyroxin gemeint.

Geschichte, Isolierung und Synthese

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Edward Calvin Kendall isolierte 1914[6] erstmals Thyroxin aus getrockneten Schilddrüsenpräparaten.[7] Charles Robert Harington charakterisierte und synthetisierte es erstmals 1926.[1][8][9] Im gleichen Jahr wurde Thyroxin von Georg Friedrich Henning zur Behandlung von Schilddrüsenleiden unter dem Namen „Thyroxin Henning“ auf den Markt gebracht.

Chemische Eigenschaften

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Das Thyroxin-Molekül enthält vier Iod-Atome (Tetraiodthyronin), daher auch die Bezeichnung T4. Thyroxin hat im Körper – an Thyroxin-bindendes Globulin gebunden – eine Halbwertszeit von etwa acht Tagen.

 
T4: Thyroxin
T3: 3,3′,5-Triiod-L-thyronin
rT3: 3,3′,5′-Triiod-L-thyronin
3,3′T2: 3,3′-Diiod-L-thyronin

Analytik

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Zum Nachweis von Thyroxin im Serum und zur Therapiekontrolle stehen enzymimmunologische und radioimmunologische Verfahren zur Verfügung.[10][11] Auch die Kopplung der HPLC mit der Massenspektrometrie findet für spezielle analytische Fragestellungen Verwendung.[12][13]

Therapeutische Anwendung

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Thyroxin wird zur Behandlung der Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) gebraucht. Patienten mit dieser Krankheit brauchen in der Regel einen lebenslangen Hormonersatz. Dabei wird Thyroxin als Tablette klassischerweise nüchtern mindestens 30 Minuten vor dem Frühstück oder alternativ frühestens zwei Stunden nach der letzten Nahrungsaufnahme eingenommen, um die Bioverfügbarkeit bzw. die Aufnahme des tendenziell schlecht resorbierbaren Hormons im Darm zu optimieren.[14] Die Dosis liegt beim Menschen meist zwischen 12,5 µg und 200 µg pro Tag. Für die Behandlung des schweren hypothyreoten Komas gibt es auch eine intravenöse Form von Thyroxin.

Neben seiner Anwendung bei der Hypothyreose kann man Thyroxin in Ergänzung einer ausreichenden Iodversorgung zur Behandlung eines Kropfes (Struma) einsetzen. Ferner dient die Thyroxingabe zur Suppression des thyreotropen Regelkreises – entweder diagnostisch bei der Suppressionsszintigrafie oder therapeutisch bei resezierten bösartigen Schilddrüsentumoren zur Verhinderung von Rezidiven.

Bei der Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) ist die Gabe von Thyroxin kontraindiziert. Die Kombination von Thyroxin mit Thyreostatika (block and replace) zur Behandlung der Schilddrüsenüberfunktion gilt als überholt.

Thyroxin wird missbräuchlich auch als Schlankheitspille eingesetzt. Für diese Indikation besteht weder eine Zulassung noch ein Wirknachweis. Zwar kann die Gabe von Schilddrüsenhormon den Energieumsatz erhöhen, dieses kann aber über eine erhöhte Nahrungsaufnahme ausgeglichen werden. Zudem begünstigen Schilddrüsenhormone bei Überdosierung eine Insulinresistenz, das Herz-Kreislauf-System wird stärker beansprucht, insbesondere bei Frauen nach der Menopause steigt das Osteoporoserisiko.[15] Ebenfalls kann die Überdosierung zu Schlaflosigkeit führen. Auch Todesfälle sind bekannt.[16][17]

Thyroxin und Triiodthyronin haben ferner einen Stellenwert in der Wirkungsverstärkung und Phasenprophylaxe zur Behandlung von Depressionen.

Bei einer Einnahme von Thyroxin beziehungsweise Thyronin sollte der Thyreotropin-Wert (TSH) regelmäßig überwacht werden. Dies gilt insbesondere in der Einstellungsphase sowie bei Dosisänderungen.

Thyroxinpräparate unterschiedlicher Hersteller können sich in ihrer Bioverfügbarkeit erheblich unterscheiden, weshalb ein Wechsel des Handelspräparats nicht empfehlenswert ist, wenn das bisherige Präparat vertragen wird.[18][19]

Umfangreiche Untersuchungen zur Pharmakoepidemiologie von Thyroxinpräparaten wurden vom Robert Koch-Institut vorgelegt.[20] Thyroxin gehört zu den fünf weltweit am häufigsten verordneten Medikamenten.[21]

Handelsnamen

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in alphabetischer Reihenfolge

Monopräparate
Als Tabletten:

Berlthyrox (D), Eferox (D), Eltroxin (CH), Euthyrox (A, CH, D), Eutirox (D), L-Thyrox (D), L-Thyroxin (D), Levothyroxin (A, D), Prothyreo (D), Tirosint (CH), Thyrex (A)

Als Tropfen:

Eferox (D), L-Thyroxin (D), Levothyroxin (D)

Kombinationspräparate
Mit Triiodthyronin:

Novothyral (A, CH, D), Prothyrid (D), Thyreocomb (D)

Mit Kaliumiodid:

Eferox Jod (D), Jodthyrox (D, A), L-Thyrox Jod (D), L-Thyroxin Jod (D), Thyronajod (D)

Literatur

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Wiktionary: Thyroxin – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. a b Charles Robert Harington: Chemistry of Thyroxine. I. Isolation of Thyroxine from the Thyroid Gland. In: Biochem. J. Band 20, Nr. 2, 1926, S. 293–299. PMID 16743658; PMC 1251713 (freier Volltext).
  2. Eintrag zu Levothyroxine in der ChemIDplus-Datenbank der United States National Library of Medicine (NLM) (Seite nicht mehr abrufbar)
  3. a b Datenblatt L-Thyroxine, ≥98% (HPLC) bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 18. November 2019 (PDF).
  4. a b Axel Kleemann, Jürgen Engel, Bernd Kutscher, Dieter Reichert: Pharmaceutical Substances. 5. Auflage. Thieme-Verlag, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-13-558405-8, S. 802–804; zusätzlich online mit halbjährlichen Ergänzungen und Aktualisierungen.
  5. S. Silbernagl, A. Despopoulos: Taschenatlas der Physiologie. 4. Auflage. Thieme-Verlag, 1991.
  6. Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 55.
  7. E. C. Kendall: Isolation of the iodine compound which occurs in the thyroid. In: The Journal of Biological Chemistry. Band 39, 1919, S. 125–147 (jbc.org [PDF]).
  8. Charles Robert Harington: Chemistry of Thyroxine. II. Constitution and Synthesis of Desiodo-Thyroxine. In: Biochem. J. Band 20, Nr. 2, 1926, S. 300–313. PMID 16743659; PMC 1251714 (freier Volltext).
  9. Charles Robert Harington, George Barger: Chemistry of Thyroxine. III. Constitution and Synthesis of Thyroxine. In: Biochem. J. Band 21, Nr. 1, 1927, S. 169–183. PMID 16743801; PMC 1251886 (freier Volltext).
  10. T. L. Williams, J. Archer: Validation of an automated enzyme immunoassay for the measurement of serum total thyroxine in cats. In: Vet Clin Pathol. Band 45, Nr. 1, März 2016, S. 148–153. PMID 26840919
  11. L. A. Kaplan, I. W. Chen, N. Gau, J. Fearn, H. Maxon, C. Volle, E. A. Stein: Evaluation and comparison of radio-, fluorescence, and enzyme-linked immunoassays for serum thyroxine. In: Clin Biochem. Band 14, Nr. 4, August 1981, S. 182–186. PMID 7028316
  12. S. Yong, Y. Chen, T. K. Lee, H. K. Lee: Determination of total thyroxine in human serum by hollow fiber liquid-phase microextraction and liquid chromatography-tandem mass spectrometry. In: Talanta. Band 126, August 2014, S. 163–169. PMID 24881548
  13. S. L. La'ulu, K. J. Rasmussen, J. A. Straseski: Pediatric Reference Intervals for Free Thyroxine and Free Triiodothyronine by Equilibrium Dialysis-Liquid Chromatography-Tandem Mass Spectrometry. In: J Clin Res Pediatr Endocrinol. Band 8, Nr. 1, 5. März 2016, S. 26–31. PMID 26758817
  14. Muss L-Thyroxin immer morgens nüchtern eingenommen werden? | PTAheute. Abgerufen am 21. November 2020.
  15. Y. J. Ko, J. Y. Kim, J. Lee, H. J. Song, J. Y. Kim, N. K. Choi, B. J. Park: Levothyroxine dose and fracture risk according to the osteoporosis status in elderly women. In: J Prev Med Public Health. Band 47, Nr. 1, Januar 2014, S. 36–46. PMID 24570805
  16. S. Bhasin, W. Wallace, J. B. Lawrence, M. Lesch: Sudden death associated with thyroid hormone abuse. In: Am. J. Med. Band 71, Nr. 5, November 1981, S. 887–890, PMID 7304660.
  17. B. Hartung, M. Schott, T. Daldrup, S. Ritz-Timme: Lethal thyroid storm after uncontrolled intake of liothyronine in order to lose weight. In: Int. J. Legal Med. Band 124, Nr. 6, November 2010, S. 637–640, doi:10.1007/s00414-010-0423-y, PMID 20145940.
  18. US Food and Drug Administration’s Decision Regarding Bioequivalence of Levothyroxine Sodium. In: Thyroid. Band 14, Nr. 7, 2004, S. 486–486; doi:10.1089/1050725041517138.
  19. Arne Krehan, Manuela Dittmar, Andre Hoppen, Klaus Lichtwald, George J. Kahaly: Randomisierte, doppelblinde Crossover-Studie zur Bioverfügbarkeit von Levothyroxin. In: Medizinische Klinik. Band 97, Nr. 9, 2002, S. 522–527. doi:10.1007/s00063-002-1190-4.
  20. Hans-Ulrich Melchert, Bernd Görsch, Wulf Thierfelder: Schilddrüsenhormone und Schilddrüsenmedikation bei Probanden in den Nationalen Gesundheitssurveys. Robert Koch-Institut, Berlin 2002, ISBN 3-89606-138-0.
  21. G. Löffler, P. E. Petridas: Biochemie und Pathobiochemie. 9. Auflage. Springer-Verlag, Berlin 2014, ISBN 978-3-642-17972-3, S. 514.