Leibgedinge

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Ein Leibgedinge (auch Leibgut, Leibrente, Leibzucht, Dotalium, Doalium oder Vitalitium[1]) war im späten Deutschen Kaiserreich die Verpflichtung, Naturalleistungen wie Wohnung, Nahrungsmittel, Hege und Pflege gegenüber einer Person bis zu deren Ableben zu erbringen, die meist bei Hofübergaben in der Landwirtschaft zwischen Übergeber und Übernehmer vereinbart wurde.

Da das Erbschaftsrecht für Bauernhöfe im Norden Deutschlands (Anerbenrecht) sich grundlegend von dem in Teilen Süddeutschlands (Realteilung) unterschied, wurden aufgrund dieser auseinandergehenden Traditionen in der Vergangenheit landschaftlich unterschiedliche Begriffe verwendet.

Im Norden und Westen Deutschlands ist heute der Begriff Altenteil üblich.[2][3] In Bayern hingegen wird der Begriff Leibgeding (eine Nebenform von Leibgedinge) dem Begriff des Altenteils vorgezogen.[4][5]

Spezielle Formen des Leibgedinges sind das Ausgedinge in Österreich (in Bayern auch Austrag genannt) und das Witwengut.

Heutige rechtliche Verwendung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Bundesrepublik Deutschland wird der Begriff Leibgeding heute lediglich noch landschaftlich für den Begriff des Altenteils verwendet.[6]

Obwohl rechtlich nicht definiert, wird der Begriff des Altenteils mehrfach in Gesetzestexten erwähnt.[7]

Das Altenteil wird vielfach gesetzlich erwähnt, jedoch nicht legal definiert[8]. Das Altenteil wird regional unterschiedlich auch als Leibgeding, Leibzucht oder Auszug bezeichnet. Rechtsgeschichtlich hat es seine Grundlage als vorwiegend in ländlichen Gebieten vertragliches Rechtsinstitut, weshalb es im Rahmen des Übergangsrechts auch landesrechtliche Vorbehalte in Art. 96 EGBGB erfahren hat. Erfolgt der Vermögenserwerb „mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht“, so ist ein als Gegenleistung eingeräumtes Leibgedinge keine den Wert des übernommenen Vermögens mindernde Verbindlichkeit im Sinne des § 1374 Abs. 2 BGB.[9] Der Hof wird also gem. § 1374 Abs. 2 BGB mit seinem vollen Wert dem Anfangsvermögen hinzugerechnet, gehört also nicht zum Zugewinn (§ 1373 BGB) und damit auch nicht in den Zugewinnausgleichsanspruch des anderen Ehegatten (§ 1378 BGB).

In regierenden Fürstenhäusern erhielten früher die einheiratenden Frauen vor der Eheschließung die Einkünfte aus konkret bestimmten Gütern, Orten oder Landesteilen vertraglich zugesagt – sei es beginnend mit der Heirat, sei es für den Witwenfall. Die Frau übernahm manchmal bereits zu Beginn der Ehe die Herrschaft über die betreffenden Ländereien, bisweilen auch erst mit Eintritt ihrer Witwenschaft. Dieses ihr „gewidmete“ Leibgedinge wurde auch als „Widum“ oder Wittum bezeichnet. Die lebenslangen Nutzungsrechte waren Bestandteile des vor der Hochzeit ausgehandelten Ehevertrages.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig/ Wien 1909 (zeno.org [abgerufen am 28. Mai 2019] Lexikoneintrag „Leibgedinge“).
  2. Höfeordnung (HöfeO) § 14 Stellung des überlebenden Ehegatten, gesetze-im-internet.de
  3. (1) Hof im Sinne dieses Gesetzes ist eine im Gebiet der Länder Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein belegene land- oder forstwirtschaftliche Besitzung mit einer zu ihrer Bewirtschaftung geeigneten Hofstelle, die … . Siehe Höfeordnung (HöfeO) § 1 Begriff des Hofes, gesetze-im-internet.de
  4. Art. 30 Leibgedingsrechte und nicht eingetragene Rechte, gesetze-bayern.de
  5. Gerichtsverfassungsausführungsgesetz – AGGVG, gesetze-bayern.de
  6. Das Altenteil wird regional unterschiedlich auch als Leibgeding, Leibzucht oder Auszug bezeichnet. Rechtsgeschichtlich hat es [das Altenteil] seine Grundlage als vorwiegend in ländlichen Gebieten vertragliches Rechtsinstitut, weshalb es im Rahmen des Übergangsrechts auch landesrechtliche Vorbehalte in Art. 96 EGBGB erfahren hat. Siehe: Keller/Munzig, KEHE Grundbuchrecht, GBO § 49 [Altenteil, … / I. Der Begriff des Altenteils], haufe.de
  7. Das Altenteil wird vielfach gesetzlich erwähnt, jedoch nicht legal definiert (Art. 96 EGBGB, § 49, § 9 EGZVG, § 850b Abs. 1 Nr. 3 ZPO, § 23 Nr. 2 lit. g GVG). Siehe: Keller/Munzig, KEHE Grundbuchrecht, GBO § 49 [Altenteil, … / I. Der Begriff des Altenteils], haufe.de
  8. Siehe dazu Art. 96 EGBGB, § 49, § 9 EGZVG, § 850b Abs. 1 Nr. 3 ZPO, § 23 Nr. 2 lit. g GVG
  9. BGH, Urteil vom 27. Juni 1990 – XII ZR 95/89