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ADB:Goldast genannt von Haiminsfeld, Melchior

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Artikel „Goldast genannt von Haimisfeld, Melchior“ von August von Gonzenbach in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 9 (1879), S. 327–330, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Goldast_genannt_von_Haiminsfeld,_Melchior&oldid=- (Version vom 17. Dezember 2024, 02:29 Uhr UTC)
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Band 9 (1879), S. 327–330 (Quelle).
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Goldast: Melchior G., genannt von Haimisfeld, geb. 1578 in Espen bei Bischofzell im Kanton Thurgau, † 1635 zu Gießen im Hessischen, ein Polyhistor, wie jene Zeit sie wollte und erzeugte erregt weit mehr um seiner litterarischen Leistungen, als seines sehr einfachen Lebenslaufs willen unser Interesse. Er war von armen Eltern geboren und hatte sein Leben lang mit Mangel, oft mit bitterer Armuth zu kämpfen. Als Lichtpunkte in diesem Meer von Elend eines armen Litteraten erscheinen nur die kurzen Jahre, da er bei Lectius in Genf und in St. Gallen bei Schobinger als gerngesehener Gast, dann als Hofmeister bei vornehmen Herren (Vassan, Freiherr v. Sax auf Forsteck) und als geheimer Rath in Bückeburg beim Grafen von Holstein-Schaumburg stand. Die akademische Laufbahn hat er nie betreten, obgleich er den akademischen Grad eines Dr. jur. utr. angenommen hatte und er lebte weitaus die meiste Zeit von der Feder, welche er den Mächtigen dieser Erde zu Diensten stellte. In Ingolstadt unter Hubert v. Giffen und zu Altorf unter Scherb und Rittershaus hatte [328] er sich zum Gelehrten ausgebildet und, was uns besonders befremden muß, wenn wir die Mangelhaftigkeit seiner vorakademischen Schulen betrachten, eine Gewandtheit und Feinheit in der Handhabung der alten Sprachen, zumal der lateinischen, sich angeeignet, die das Lesen seiner Briefe und Widmungen jetzt noch zum Genuß macht. Seine Edita – man findet sie am vollständigsten in Gräße’s Trésor de livres rares et précieux aufgeführt – sind sehr zahlreich und dennoch nach allem, was wir von G. wissen, nur der kleinere Theil von dem, was er für die Welt geschrieben, vollends aber von dem, was er für sich notirt und zusammengetragen hat! Von diesem gibt uns ein Blick in das Verzeichniß der von ihm hinterlassenen Bibliothek eine Vorstellung: es wird, soweit die Bibliothek noch in Bremen ist, eben jetzt neugedruckt. Unter den Ausarbeitungen für Andere nehmen seine Deductionen die erste, seine Briefe an zahllose Gelehrte seiner Zeit die zweite Stelle ein. Man vgl. besonders Virorum clarorum et doctorum ad M. Goldastum epistolae e biblioteca Thulemarii, Frankfurt und Speier 1688, 4°. und Senkenberg, Selecta juris et historiarum Tom. I. Eine neue Sammlung steht von Herrn Dr. J. Wille bald zu erwarten. Von beiden Massen ist das wenigste bis jetzt gedruckt, liegt das meiste wol noch, des Fundes und Druckes gewärtig, in vielen Archiven und Büchereien zerstreut. Die litterarische Thätigkeit Goldast’s bewegte sich in allen vier Facultäten. Für die Theologen schrieb er Anmerkungen zum Tertullianus, Aufsätze über das heilige Abendmahl (Frankf. 1620, 4°.), ein Manuale biblicum oder Enchiridion S. Scripturae (Frankfurt 1610, 12°.) und gab er eine Sammlung kaiserlicher Erlasse über den Bilderdienst (Frankfurt 1608, 8°.), sowie die Tractate „Valeriani de bono disciplinae“ (auch in den Paraeneticis zu finden) und „Isidori de praelatis“ (beide Genf 1601, 8.) heraus, auch bekamen sie, wie die Juristen nicht minder, in der Satire „Paradoxon de honore medicorum“ (Frankfurt 1616, 4°) ihren Theil ab. Die Juristen verdanken ihm nebst den mancherlei (unten zu nennenden) Epoche machenden Sammlungen von Reichsgesetzen, Reichsgewohnheiten, Reichshändeln und Statuten, vor allem die Ausgabe des „Dositheus“ (Genf 1601, 8°), dann zwei umfassende Sammlungen juristischer Tractate, nämlich staatsrechtlicher in dem Werke „Politica Imperialia“ (Frankf. 1614, Fol.) und aus den übrigen Theilen der Rechtswissenschaft die „Observationes et sententiae in utroque jure receptae“ (Frankf. 1629, Fol.), dann eine kleinere Sammlung scherzhafter Rechtshändel („Processus juris joco-serius“ Hanau 1611, 8°), eine Sammlung von Abhandlungen über das Erstgeburtsrecht (Hanau 1612, 8°), eine eben solche über das Recht des Vortritts (zunächst für Weimar gegen Altenburg geschrieben, Frankfurt 1615, 4°) und endlich die berühmten Deductionen über das Staatsrecht und sonstige Rechte Böhmens (Frankfurt 1627, 4°). Lange nach seinem Tode (1661, Bremen) erschien noch eine vortreffliche Abhandlung über Confiscation. – In die dritte Facultät schlägt die oben genannte Satire. In die vierte eine „Clavis philosophiae peripateticae“ (Frankfurt 1606, 8°) und die Ausgabe des „Speculum vitae“ des Rodericus[WS 1] (Hanau 1613, 4°). Den Historikern erwies G. große Dienste durch die beiden werthvollen Sammlungen der alemannischen und schwäbischen Scriptores (Frankf. 1606, Fol. und 1604, 4°), die Sammlung von Aufsätzen über die Jungfrau von Orleans („Sybilla Francica“ Ursellis, 1606, 4°), die Herausgabe von Wilibald Pirkheimer’s Werken (Frankf. 1610, Fol.) und des Thuanus[WS 2] (Frankfurt 1609–13, Fol.), das „Catholicon rei monetariae“ (Frankfurt 1620, 4°) und die Noten zum Einhard, welche Schmincke 1701 seiner Ausgabe beifügte. – Die Philologie endlich verdankt ihm die erste Ausgabe des „Carmen de congressu Caroli M. cum Leone Papa“ (Genf 1601, 4°), des S. Columbanus, Tyrol und Windsbeck in den „Paraenetica“ (Lindau 1(304), die Sammlung vieler Commentare und Noten zu Ovid’s [329] Amatoria (Frankfurt 1610, 8°). Zahlreiche Anmerkungen zum Petronius in der Ausgabe seines „Satyricon cum notis variorum“ (Helenopolis 1610, Frankfurt 1621, 8°) und in Lotich’s Ausgabe (Frankfurt 1629, 4°), endlich noch eine Sammlung von 100 philologischen Briefen mehr und weniger berühmter Gelehrter (Philologicarum epistolarum centuria una insuper Richardi de Bury Philobiblion et Bessarionis epistola ad Senatum Venetum“, Frankfurt 1610, 8°). Aus dieser, noch nicht ganz vollständigen, Uebersicht der von G. im Druck herausgegebenen Bücher ist schon ersichtlich, daß die meisten in Frankfurt a/M. und Hanau gedruckt wurden. In Frankfurt hatte G. endlich 1606 seinen Wohnsitz genommen, ohne Zweifel eben darum, weil dort und in dem nicht fernen Hanau damals so viele unternehmende Buchhändler lebten. Mit einer Frankfurterin verheirathete er sich auch und seine Kinder, zwei Töchter, vermählten sich mit Einwohnern von Frankfurt. – Dahin kehrte er von allen seinen Aufenthalten an Höfen und Reichstägen, von Bückeburg und Weimar, von Nürnberg und Prag zurück. Vor Kriegsdrangsalen flüchtete er sein Vermögen, seine für jene Zeit ungewöhnlich große Bibliothek, 1624 nach Bremen und als er bald darauf wieder eine fürstliche Bestallung (beim Landgrafen von Hessen in Gießen) erlangte, bei welcher er wohl endlich lange ausgehalten hätte, wären nicht Krankheit und Tod dazwischen getreten, ließ er den größten Theil seines Bücher- und Handschriftenschatzes in der Hansestadt, deren Rath dann nach Goldast’s Tode 1635 den unvergleichlichen Schatz ankaufte (man sehe nur, was Senkenberg im I. Band seiner Selecta juris et historiarum S. 308–17 darüber mittheilt!). Leider mußte aber der Rath später sich dazu verstehen, viele der werthvollsten Codices der Königin Christine von Schweden zu überlassen, die davon manches mit nach Rom genommen haben soll, so daß jetzt nebst der Stockholmer Staatsbibliothek auch die Vaticana Theile des ehemaligen Goldastischen Besitzes enthält. – Außer den Scriptores und dem großen Werke über Böhmen, seiner bedeutsamsten litterarischen Ausarbeitung, sind es besonders die vielen und mancherlei Sammlungen von Reichsgesetzen etc., welche Goldast’s Ruhm in der gelehrten Welt begründeten und ihm einen bleibenden Platz in der Geschichte der Wissenschaft erwarben. Sie müssen deshalb auch hier, wo es sich darum handelt, von seinem litterarischen Wirken ein richtiges Bild zu geben, genau verzeichnet werden. Im J. 1607 erschienen zu Frankfurt (Hanau und Offenbach) die ersten zwei Sammlungen solcher Art: „Imperiales recessus constitutiones et ordinationes“ und „Statuta et rescripta Imperialia“. In der neuen Ausgabe der Recessus, constitut. et ordinat. sind sie als Tomus IV in zwei Classen aufgenommen, diese Ausgabe nahm von der neuen Auflage des ersten Bandes (Frankfurt 1614) den Titel „Collectio“ an. Diese mit sogenannten rationalia, von welchen wir noch ein besonderes Wort zu sagen haben werden. Dann folgten 1609, zu Hanau gedruckt: „Reichshandlung und Reichssatzung“, 1612 daselbst und zu Frankfurt die „Monarchia“, 1613 zu Frankfurt eine „Collectio consuetudinum et legum Imperialium“ und 1614 ebenda endlich: „Politische Reichshändel“. Wegen dieser Werke hat übrigens G. die meisten und schwersten Anfechtungen erlitten, indem schon Zeitgenossen, wie Jakob Gretser und, was von ungleich größerem Gewichte war, Hermann Conring ihm nicht blos unverzeihlichen Mangel an Kritik bei der Auf- und Annahme der einzelnen Stücke, sondern sogar Fälschungen, d. h. eigenmächtige Construction solcher aus Nachrichten, die er bei Chronisten und anderen Schriftstellern gefunden habe, vorwarfen. Darauf gründete sich die sich fortpflanzende böse Nachrede großer Unzuverlässigkeit seiner Angaben in diesen Dingen. Selbst ein Senkenberg, Goldast’s Biograph und Panegyriker (Vita Melch. Goldasti in der Vorrede zur dritten Ausgabe der „Scriptores rerum Alamannicarum“, Frankfurt [330] und Leipzig 1730, mit einigen Ergänzungen im ersten Band der Selecta), rückt ihm vor, daß er keine Nachweise über die Quellen, aus welchen er seine Sachen geschöpft, gegeben habe, doch erwähnt er hinwiederum auch, daß ein Handexemplar der Constitutionen existirt habe, worin von Goldast’s Hand jeweilen der Quell oder Fundort angemerkt sei, und was die „Statuta et rescripta Imperalia“ anbelangt, so kann Senkenberg und wer ihm den Vorwurf nachredet, wenn derselbe auch auf dieses Werk ausgedehnt werden wollte, das „Rationale constitutionum“ nicht gekannt haben. Denn, wie in den meisten seiner Sammelwerke, so schrieb hier G., eigener vortrefflicher Methode folgend, ein kritisches Verzeichniß der der Sammlung einverleibten Stücke, das an Klarheit und Bestimmtheit der Nachrichten über Herkunft und Charakter derselben wenig zu wünschen übrig läßt, einen raisonnirenden Katalog, wie man solche Arbeiten jetzt zu nennen pflegt, der besten Art. Goldast’s litterarische Händel mit Justus Lipsius, Kaspar Scioppius und Jakob Gretser sind keiner näheren Beleuchtung bedürftig, obgleich seine Streitschriften zumal gegen diesen eben jetzt wieder der herrschenden politischen Meinung mundgerecht wären.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Rodrigo Sánchez de Arévalo, 1467 Bischof von Zamora
  2. Johannes Thuanus bzw. Jacques-Auguste de Thou (1553-1617 in Paris), französischer Geschichtsschreiber und Staatsmann